Ich bin Abi und meine Geschichte begann mit einem Besuch meiner jetzigen Pflegeeltern auf Zypern. Aber eigentlich begann meine Geschichte schon viel früher.
Meine Geschichte begann an dem Tag, als meine Pflegeeltern sich dazu entschlossen, nach langem und reiflichem Überlegen einen Hund anzuschaffen.
Anzuschaffen hört sich echt doof an, man könnte es mit „seinen Leib und seine Seele für Geld verkaufen" oder mit „mir fehlt ein Nagel, ich geh mal kurz in den Baumarkt" in Verbindung bringen. Ich formuliere es so: nach langem Überlegen und sämtlichen Situationen durchspielen reifte der Wunsch meiner Pflegeeltern und war schließlich bald in pure Liebe und Euphorie übergeschwappt, endlich einem Hund ein Zuhause geben zu können. Der Platz war vorhanden, es gab einen Plan B für die Zeiten, wenn es mal zeitlich extrem klemmen sollte und so begannen die Beiden, sich auf die Suche nach einem Vierbeiner zu machen. Das Angebot an Hunden war schier unerschöpflich. Nächtelang haben sie irgendwelche Ausdrucke gewälzt, über Charaktereigenschaften diskutiert und natürlich auch über das Aussehen. Also mich würde das völlig kalt lassen, aber Menschen sind nun mal so. Nach dem hundertsten Ausdruck war nur noch eine einzige Seite übrig auf dem Stapel „ganz positiv" und das war Danny, mein Kumpel . Beiden war von Anfang an klar, dass sie unbedingt einen Hund aus dem Tierschutz wollten. Sonntage lang sind sie in Tierheimen in der Nähe unterwegs gewesen, mussten aber nach einem herben Rückschlag feststellen, dass es einen großen Unterschied zwischen Tierheim Hunden und Auslandshunden gibt.
Allen Unkenrufen zum trotz – und da gibt es viele, die dazu eine andere Einstellung haben – haben sie sich ein Herz gefasst und bei der Vermittlerin für Danny angerufen. Sie haben ihre Situation offen und ehrlich erklärt, dass sie beide Berufstätig sind und die Nase eben schon drei Stunden allein sein müsste, manchmal auch ein wenig Länger. Sie hatten schon Angst, dass damit das „project dog" gestorben wäre, aber so war die Situation einfach. Die Vermittlerin war total nett und vor allem ehrlich. Nach einigen Anrufen war klar, dass Danny bald einziehen kann. Meine Pflegemom war hypernervös , als es im August 2010 an den Flughafen nach München ging, um Danny abzuholen. Sie hat mir mal ins Ohr geflüstert, dass sie nicht mal an ihrer Hochzeit ein Jahr davor so schrecklich nervös war. Aber erzählt das bloss nicht weiter. Sie hatten ganz liebe Flugpaten, die schon auf der Fahrt eine SMS geschickt haben, dass Danny jetzt eingecheckt wird und dass er ein ganz , ganz Süsser ist. Als meine Pflegemom mir die Geschichte von Danny erzählt hat und wie er schlussendlich bei ihnen gelandet ist, hatte sie- glaube ich- feuchte Augen. Zumindest waren auf einmal ihre Wangen ein bisschen schleimig und ich wollte sie dann gleich trösten. Sie meinte dann: "Lass mal Grosser, das ist nicht nötig, ich bin nicht traurig, sondern nur so glücklich über meinen Hasen". Ich habe das nicht so ganz verstanden, weil Hasen doch auf dem Feld sind und er außerdem ja auch längeres Fell und Schlappohren hat! Hasen sehen anders aus, hab sie doch auch schon gesehen, ehrlich! Aber ich brauch glaub sowieso noch ein bisschen, um die Zweibeiner zu verstehen. Auf jeden Fall, kam Danny , der jetzt Paul heißt, so zu den Beiden. Ich glaube, die drei Wuppen ihren Alltag zusammen echt gut und Paul hat so viele Fans, dass ich fast ein wenig neidisch werden könnte.
Ein wenig in mich reingrinsen muss ich, wenn sie mir einen Befehl beibringen und mich dann belohnen wollen und Paul funkt dazwischen. Dann wird er mit einem „Och, menno, Pauline" abgestraft und findet das nicht wirklich witzig. Zumindest guckt er dann so.
Übrigens liege ich gerade auf dem Sofa, während ich euch die Geschichte erzähle und kucke dem Ofen zu, der so lustig vor sich hinflackert. Meine Pflegemom -ich nenne sie ab jetzt der Kürze wegen einfach Pflemo- meinte schon, dass ich für die Winterzeit ein toller Wärmflaschenersatz wäre. Ich glaube, die beiden diskutieren noch darüber , ob ich auch ins Bett wie Paul darf. Pflemo gewinnt die Diskussion, sie lässt einfach nicht nach und mein Pfleda (Pflegedad) hat eh so ein weiches Gemüt dass meine Chancen ziemlich gut stehen. Ich unterstütze sie natürlich, weil, wenn ich mein Kopf so schräg halte, merke ich schon, dass Pfleda ein wenig einknickt. So wichtig wärs mir jetzt auch nicht, denn ich habe ein eigenes Körbchen und wenn keiner zukuckt beschlagnahmen Paul und ich in der Nacht sowieso das Sofa. Aber auch da bitte" Pssst". Aber ich schweife ab.
Meine Pflegeeltern wollten endlich mal wieder Urlaub machen und entschieden sich, auf „Pauls Spuren" in Zypern Urlaub zu machen, weil sie wissen wollten, wie das Leben für uns Vierbeiner dort „unten" abläuft. So nahmen sie Kontakt mit Barbara auf und kündigten ihren Urlaub an und wenn möglich und gewünscht auch die tatkräftige Hilfe vor Ort. Meine Pflemo war, je näher der Termin rückte, aufgeregt ohne Ende, weil sie nicht wusste, was genau sie dort erwartet. Man macht sich ja immer so seine Gedanken vorab und das Kopfkino gibt ein Übriges dazu. Beiden war klar, dass sie dort mithelfen wollen , aber ich glaube, beide hatten auch Angst, dass sie sich in einen weiteren Hund verlieben würden. Obwohl im Vorfeld klar war, dass sie ohne Hund zurückreisen würden. So war zumindest der Plan in der Theorie. Ich glaube, Pflemo hat sich das schon wirklich ganz fest vorgenommen, weil sie beide ja berufstätig sind und Paul überall ein gern gesehen Gast ist, aber was wäre mit zwei? Schliesslich sind die 3 ein eingeschworenes Team und das Leben funktioniert einfach.
Paul war sogar ab und zu bei ihr im Büro dabei , obwohl das gar nicht erlaubt ist. Aber weil er so ein Lieber ist und sich alle immer freuen , war es halt doch manchmal so. Manchmal denke ich, die beiden machen sich viel zu viele Gedanken, aber es ist nun mal so, dass wir Nasen nicht überall willkommen sind. Vor allem, wenn wir im „Rudel" auftauchen.
In Zypern angekommen konnten die zwei vor lauter Vorfreude und dennoch gemischten Gefühlen kaum zur Ruhe kommen. Endlich war es so weit, dass sie Barbara „live" getroffen haben. Mit zwei Autos sind sie dann ins Shelter gefahren.
Barbara hat sich extra für einen Tag „freigeschaufelt" um Pflemo und Pfleda alles zu zeigen. Als die Autos hergefahren sind, haben wir schon alle gemeinschaftlich laut gegeben und da wusste ich noch nicht, wie sich mit diesem Tag mein ganzes Leben ändern wird.
Meine Pflemo und Barbara haben jeden Zwinger besucht und sauber gemacht. Dann kamen sie zu mir. Ich hab das ja schon gemerkt, dass da die „chemie" zwischen uns gestimmt hat und ich glaube, Pflemo war ein bisschen überfordert. Nein, eher überwältigt. Ich könnte mir denken, dass sie mit so viel Zuneigung in jedem Pen nicht gerechnet hat. Wenn fünf unbekannte Fellnasen auf einen zurennen, kann das schon ein wenig Respekt einflössen. Das kann ich auch ein bisschen verstehen. Obwohl wir uns alle immer so , so freuen wenn jemand kommt, der uns ein bisschen drückt und knuddelt. Pflemo hat erzählt, dass es natürlich überhaupt kein Vergleich zu deutschen Tierheimen ist , aber dass dank Barbara und ihren fleißigen Helfern der Sauberkeits- und Hygienestandard so hoch ist, dass beide total positiv überrascht waren. Sind wir ehrlich, was nützt ein schönes Haus, das nur für die Menschen von außen adrett geführt ist, wenn die Liebe innen drin nicht stimmt? Ich sage bewusst Haus und nicht Heim, weil für mich und meine Kollegen das Shelter zum daheim und nicht nur zum nüchternen Ort mit Dach über dem Kopf geworden ist. Genau dieses Gefühl haben die beiden am ersten Abend mit genommen. Es ist ganz egal, ob es für das Auge oder den ersten Eindruck vielleicht ein wenig befremdlich ist, weil man etwas anderes gewohnt ist. Die Hauptsache ist, wie in den vier Wänden der Umgang untereinander gehalten wird. Und der war so herzlich und so voll Positivem, dass meine Pflegis sich noch lange und bis spät in der Nacht bei einem Glas Wein darüber unterhalten haben.
Es war für beide ein ganz komisches Gefühl, die Insel als Heimat und Ursprung von Paul wahr zu nehmen. Schon auf der Hinfahrt zum Hotel in der Nacht und bei Linksverkehr war einzig und allein die Frage: „ Kuck die Autobahn kennt Paul, vielleicht den Hügel, und mit Sicherheit hat er genau jetzt diesen Mond schon gesehen. Bei der Hitze tagsüber haben sie sich immer gefragt, wie Paul das wohl überlebt hat, wenn ihm jetzt in Deutschland schon 26 Grad zu viel erscheinen und er schwitz wie ein Affe. Auch grübelt man immer darüber nach, während man sich auf der Insel bewegt, ob man wohl zufällig auf Pauls Geschwister trifft, war die oder jene Person am Strand vorher vielleicht sein Besitzer? Und natürlich der Gedanke daran, wieso Menschen zu dem fähig sind, was nachher im Shelter „landet". Pflemo weiß, dass ihr Barbara nicht jede furchtbare Geschichte erzählt hat. Aber die, die sie mitbekommen hat, waren schon an der Grenze des Erträglichen. Sie hatte wahrscheinlich immer Paul vor Augen und was für ein toller Hund er ist und die Gewissheit , dass er von jemandem einfach „nicht mehr gewollt „ wurde. Beim ersten kurzen „Durchgang" und eine kurze Geschichte zu jedem Vierbeiner trafen die Beiden auf Lisa, die Hochschwanger in ihrem Pen saß. Jede Berührung und jedes Kraulen war eine echte Wohltat für die werdende Mama. Und mein Pflepa hat glaub noch mehr Mitleid als Pflemo gehabt und so kam Lisa dann zur Obhut und unter Rund-um-die-Uhr Aufsicht zu Dr. Lambrou. Dort konnte sie in Ruhe und unter ständiger Überwachung ihre Kleinen zur Welt bringen.
Am ersten „Arbeitstag" habe ich Pflemo so denke ich, schon ziemlich beeindruckt. Ich war natürlich auch extrem schlau dabei, da muss ich mich echt selbst loben. Wie gesagt, es ist schon beeindruckend, wenn fünf, sechs oder gar sieben völlig fremde und auch große Hunde um jemanden Neues rumwuseln. Mein Geheimnis war, ich habe alle anderen im Auslauf einfach rennen lassen, hab mich neben sie hingelegt und ihr beim Badebecken und Körbchenwaschen zugeguckt. Manchmal habe ich auch den Schwamm angestupst und da war sie natürlich völlig hin und weg. Das Streicheln war ja auch soooo schööööön. Am zweiten Tag ist sie gleich an mein Pen hingelaufen und hat mich angesprochen und konnte es kaum erwarten, zu mir zu kommen. Als ich sie im menschlichen Sinn erkannt habe, war mein Schicksal besiegelt. Ich kluges Kerlchen. Dennoch spürte ich genau, dass sie eigentlich am liebsten aus jedem Auslauf mindestens einen oder eine ausgesucht hätte. Ich spürte auch ihren Zwiespalt, dass echter und ehrenwerter Tierschutz eigentlich bei den kranken und alten anfängt. Aber da war ja Paul, der auch noch jung ist und seine Bedürfnisse hat. Sie hat mir gesagt, dass, als sie mich das erste Mal gesehen hat, es sofort um sie geschehen war. Sie war meinem fast rein weißen Fell und meinen braunen Augen total ergeben. Aber so ist das bei uns nun mal. Es ist ein Kommen und Gehen und manchmal geht es schneller und trauriger Weise klappt es nicht immer. Wenn nur viel mehr von euch Zweibeinern uns sehen könnte. Worte und Bilder, so schön sie auch sein mögen, können uns nicht immer beschreiben.
Der Urlaub ging irgendwann zu Ende und das Email mit dem Inhalt „mach ihn reisefertig, er kommt als Pflegi zu uns" war geschrieben. Ich fand es total toll, dass Barbara so viel Vertrauen zu meinem Pflegeeltern hatte, schließlich hängt an jedem Einzelnen von uns „Sheltern" viel, viel Herzblut.
Mein Termin, nämlich die Herbstferien waren gesetzt und es wurde fieberhaft nach einem Flugpaten gesucht. Von „wir fahren mit dem Wohnmobil nach Hamburg" über „ wir finden einen Flug und holen ihn ab" war alles dabei. Letztere Entscheidung war irgendwann gefallen, da ich schließlich meine Eingewöhnungszeit haben sollte und sich einfach kein Flugpate genau in diesem Zeitraumund in Richtung Süddeutschland gefunden hat.
Die Odyssee für mich und auch die Beiden, tatsächlich ging morgens der Flieger nach Zypern und abends wieder zurück. Mit Verspätung, weil der Flieger repariert werden musste und auf dem Weg von Frankfurt nach Hause noch eine Vollsperrung auf der Autobahn war, wäre eine Geschichte für sich wert. Die Erzähle ich einfach ein anderes Mal. Auch habe ich irgendwie in der Zeit vom Urlaub und dem Abreisedatum an Größe zugelegt, so dass eine Flugbox zu finden sich auch als echte Story herauskristallisiert hat.

Ich kann euch beruhigen, zu guter Letzt bin ich tatsächlich geflogen. Ich bin angekommen, wie viele andere vor mir und hoffentlich viele andere nach mir.
Gäbe es euch nicht, weiß ich nicht, ob ich die Straßen in Limassol überlebt hätte. Gäbe es nicht Menschen, die so viel opfern um es uns gut gehen zu lassen, weiß ich nicht , ob wir jemals überhaupt irgendwo eine Stimme hätten. Gäbe es die Menschen, die es bei den Zypernhunden.ev gibt nicht, die jede Freizeit und jeden Cent in uns opfern, mag ich nicht daran denken, was mit mir, Paul , und all den vielen anderen geschehen wäre.
Das Holz im Ofen neigt sich langsam dem Ende zu und der Song „You never walk alone" begleitet mich auch hier in Deutschland weiter.
„Whenever things go wrong I´ll be with you, whenever clouds are there , we fight it trough. And when you think you have to cry, then rest a little by my side and you should know, you never walk alone. It's a song for you, to brighten up your day. And you should know, you never walk alone. "
Mit diesem Song schicke ich all meine Gedanken an meine Freunde nach Zypern, an Barbara und Chami die mich so geliebt, umsorgt und behütet haben.
Freunde, denkt daran: You never walk alone.

-And this song is for you-
Euer Abi